Modelle aus Kork beflügelten im 18.Jh. die Phantasie derer, denen die
kulturellen Schauplätze der Antike nicht zugänglich waren. In jener
Zeit bildeten sie die Basis für wissenschaftliche Studien,
und waren
Wegbereiter für die rasante Entwicklung des Klassizismus in der
Architektur. Sie wurden jedoch nicht nur als Abbilder einer unbekannten
Kultur verstanden, sondern sprachen durch ihren „beseelten“ Ausdruck
auch die Emotionen des Betrachters an, was der aufkeimenden Sehnsucht
nach Romantik visuellen Nährboden verschaffte.
Später entwickelte
sich die Reiselust zur Ausdrucksform der Wohlstandsgesellschaft, und
versprach grenzenlose Expansion für Ideologie und Geist. Heute ist kaum
ein Fleck unseres kulturellen Erbes unentdeckt, und kann mit Hilfe
moderner Medien jederzeit wieder abgerufen werden.
Das dünne Eis
dieser scheinbaren Überlegenheit offenbart sich jedoch dann, wenn
Zeugnisse unserer kulturellen Vergangenheit für immer ausgelöscht
werden, und wir einzig auf Erinnerung und Abbilder zurückgreifen können.
Schon
zu Beginn der 80er Jahre war der gelernte Bauzeichner Dieter Cöllen von
der großen Ausdruckskraft der Phelloplastiken alter Meister wie Antonio
Chichi, Augusto Rosa und Carl May begeistert. Als erfahrener
Modellbauer wusste er über die Schwierigkeit, Verfall würdevoll
darzustellen, aber erst Studien an unrestaurierten Exponaten aus dem
18.Jh. gaben ihm die entscheidenden Hinweise, diese zu meistern.
Kork
verkörpert das Chaos schlechthin. Er wirkt als Baumaterial zunächst
völlig ungeeignet, da er seinen eigenen „Willen“ besitzt. Erst wenn man
diese Eigenschaft für seine eigenen Zwecke zu nutzen versteht, befindet
man sich auf dem richtigen Weg, Verfall im Stein nachzubilden.
Genau
dieser Verfall hat Cöllen immer fasziniert. Auf seinen vielen Reisen in
den Orient, hat er die Ausdrucksformen der Vergänglichkeit an antiken
Bauwerken studiert, und fand sich nun in der Lage, diese adäquat in
Miniaturen zu „übersetzen.“
Roher Kork spricht jedoch eine sehr
archaische Sprache, die erst durch den Einsatz von Farbe an Seele
gewinnt. Wenn wir uns von einem antiken Monument verzaubern lassen, dann
geschieht das um so intensiver bei niedrigem Sonnenstand. Lange
Schatten verstärken die Konturen, und der steigende Rotanteil im Licht,
lässt uns von „Wärme“ sprechen. Um dies auch im Modell zu erreichen,
behandelt Cöllen seine Objekte mit Naturpigmenten, die er teils an
verschiedenen Fundstellen selbst schürft, und zu einer geeigneten
Tinktur verarbeitet, die in den Kork eindringt, ähnlich wie bei der
Herstellung eines Freskos.
Korkmodelle von Dieter Cöllen finden sich heute bei Sammlern und Museen in der ganzen Welt,
getragen
vom Bedürfnis nach Präsenz unseres kulturellen Erbes. Dieser Zugang zu
Erinnerung ist für Cöllen ein Hauptanliegen. Die mutwillige Zerstörung
des Bel-Tempels in Palmyra im August 2015, war daher ausschlaggebend
für seinen Entschluss, dieses symbolträchtige Monument wieder physisch
erlebbar zu machen. Das erste Modell des Tempels wurde genau am 1.
Jahrestag seiner Zerstörung fertiggestellt, und zeigt das Bauwerk vor
seiner Sprengung. Grundlage für Cöllen´s Arbeit bildeten eine große
Anzahl von Grabungsplänen und Fotos, die unter Mitwirkung namhafter
Archäologen Schritt für Schritt umgesetzt wurden. Zum Konzept gehört die
Erweiterbarkeit der Anlage, da ein Ende der Barbarei leider nicht
absehbar ist.
Die große Resonanz auf seine Arbeit, hat Cöllen
bewogen, eine Edition des Bel-Tempels aufzulegen. Mitstreiter zum Erhalt
unseres kulturellen Gedächtnisses erhalten somit die Möglichkeit, aktiv
Stellung zu beziehen, sowie ein vergessenes Kunsthandwerk am Leben zu
erhalten.
Als Zukunftsprojekt plant Cöllen mit Unterstützung von
Sponsoren eine Galerie unseres bereits zerstörten Weltkulturerbes, sowie
zu protegierender Zeugnisse unsere Geschichte, denn:
„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“ (Wilhelm von Humboldt)
D. Cöllen, Feb. 2017